Was ist ein Schlafgänger?
Vielleicht kennst du eine tolle Villa, die aus der so genannten Gründerzeit - das war die Zeit um 1870 - oder auch aus der Jahrhundertwende - also um 1900 - stammt. In vielen bürgerlichen Wohnvierteln sind solche Häuser heute noch zu finden. Doch so wohnten die meisten Menschen in der Kaiserzeit nicht. Im Gegenteil, die meisten hatten kleine Wohnungen, oft nur ein einziges Zimmer, das sich viele Familienmitglieder teilen mussten. Manche Familien mussten sogar den wenigen Platz auch noch untervermieten, um die Miete zahlen zu können.
Die Menschen wanderten vom Land in die Stadt
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zogen viele Menschen vom Land in die Stadt. Oft fanden sie auf dem Land keine Arbeit und hofften, in den Städten welche zu finden, um sich und ihre Familien ernähren zu können. Es fand ein Wandel vom Agrarstaat zum Industriestaat statt. Die Statistik beweist, dass im Jahr 1910 jeder fünfte Bewohner des Deutschen Reiches in einer Stadt mit mehr 100 000 Einwohnern lebte.
Wohnen in Armut und Enge um die Jahrhundertwende
Auf folgendem Video siehst du, wie die Menschen um die Jahrhundertwende und in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg gewohnt haben, in Armut und Enge.
Quelle: history-vision.de
Eine große Anzahl von Menschen lebte in Mietshäusern
Um vielen Menschen eine Unterkunft bieten zu können, baute man Mietshäuser. Diese sahen nicht unbedingt schön aus, standen eng aneinander und besaßen oft nur ganz kleine und enge Innenhöfe.
In einer einfachen Mietwohnung gab es das "Wohnzimmer", das man meist als "gute Stube" bezeichnete. Ob diese Stuben immer so "gut" waren, ist zu bezweifeln. Im günstigen Fall gab es einen Schlafraum, in dem die Familie nächtigte. Oft allerdings wurde dieser zweite Raum vermietet, an Untermieter oder so genannte Schlafgänger. Das waren Menschen, die sich nur zum Schlafen in der Wohnung aufhielten. Die Schlafgänger konnten sich keine eigene Wohnung leisten. Diese Schlafgängerei kam vor allem in den Städten des Ruhrgebiets sehr häufig vor.
Gestank überall
Eine Küche gab es auch, das war das "Reich der Frauen", denn Hausarbeit war immer Frauensache zu dieser Zeit. Meist waren die Wohnverhältnisse schlecht, sehr oft auch katastrophal. Zu viele Menschen wohnten auf engstem Raum zusammen. Es hat gestunken, es gab ja keine Badezimmer, die Toiletten waren meist auf dem Flur.
Gute Wohnungen waren selten
Trotz der schlechten Wohnungen betrug die Miete manchmal bis zu einem Drittel des Einkommens einer Familie. Nicht nur die Arbeiter hatten Probleme, eine bezahlbare Wohnung zu finden, auch das so genannte Kleinbürgertum, also kleine Kaufleute, Beamte, besser bezahlte Arbeiter, Lehrer oder Laden- und Büroangestellte mussten sich auf Wohnungssuche begeben.
Je größer die Städte wurden, desto mehr entwickelten sich Wohngebiete, in denen entweder die Arbeiter wohnten oder Gebiete, in denen hochherrschaftliche Villen gebaut wurden. Es gab Stadtteile, in denen die Kleinbürger wohnten, Stadtteile, in denen sich die Arbeiter niederließen und die Villenviertel, in der die so genannte Oberschicht - also die Reichen - wohnte.
Siedlungen für das Gemeinwohl
Manchmal sorgten auch Fabrikherren für ihre Arbeiter, so zum Beispiel die Friedrich Krupp AG, die für ihre ehemaligen Angestellten die Siedlung Altenhof in Essen errichtete, in denen die Menschen wohnen konnten. So etwas war für die damalige Zeit etwas ganz Besonderes, eine Zeit, in der man sich noch nicht allzu sehr um das Gemeinwohl und die soziale Fürsorge kümmerte.