Kaiser Wilhelm II. und der Reichstag
Wie war das Verhältnis zwischen Kaiser und Reichstag?
Der Reichstag des Deutschen Reiches war die Vertretung des Volkes im Kaiserreich von 1871 - dem Jahr der Reichsgründung - bis 1918 - dem Ende des Ersten Weltkrieges. Der Reichstag entschied gemeinsam mit dem Bundesrat über die Gesetze des Deutschen Reiches und entschied über die Ausgaben des Reiches mit. Der jeweilige Reichskanzler musste sich dem Reichstag gegenüber nicht verantworten.
Die Vertretung des Volkes interessierte Kaiser Wilhelm II. wenig
Diese Volksvertretung interessierte Kaiser Wilhelm II. wenig. Verhasst waren ihm vor allem die Sozialdemokraten, deren Vertreter im Reichstag saßen. Den Reichstag bezeichnete er als "Reichsaffenhaus". Er behauptete sogar, dass er niemals in die Verfassung des Deutschen Reiches hineingeschaut hätte. Ob das wirklich so stimmt, wissen wir nicht, aber er behauptete es jedenfalls.
Kaiser Wilhelm II. wollte unabhängig regieren
Kaiser Wilhelm II. wollte unabhängig regieren, unabhängig von der Verfassung, unabhängig vom Reichstag, unabhängig vom Kanzler. Eine solche Einstellung erinnerte doch sehr an die absolutistischen Herrscher vergangener Jahrhunderte.
Doch kam er nicht ganz am Reichstag vorbei
Obwohl der Reichstag vielen Einschränkungen unterworfen war, besaß er auch zur Kaiserzeit einen gewissen Einfluss. Da viele Unternehmungen Wilhelms II. - vor allem die militärische Aufrüstung und der Flottenbau - oder auch soziale Verbesserungen - eine Menge Geld kosteten, kam selbst der Kaiser am Reichstag nicht ganz vorbei. Denn der Reichstag musste diese Ausgaben bewilligen. Damit besaß der Reichstag eine gewisse Macht, der sich auch der Kaiser zu unterwerfen hatte.
So manchem erschien der Kaiser größenwahnsinnig
Der Herrschaftsanspruch Wilhelms II. und seine negativen Äußerungen gegenüber dem Reichstag wurden nicht überall willkommen geheißen. Nicht nur die Sozialdemokratie stand dem Kaiser äußerst kritisch gegenüber, auch viele Liberale sahen das selbstherrliche Verhalten des Kaisers nicht gerne. Manche dachten, der Kaiser sei größenwahnsinnig. Und lagen mit diesem Gedanken gar nicht so falsch.
So bürgerte sich ein Begriff ein: das "persönliche Regiment" des Kaisers. Das bedeutete, dass der Kaiser möglichst allein - persönlich - ohne Parlament und Volk regieren wollte.