Freigekauft

Häftlingsfreikauf aus der DDR

Zwischen Herbst 1963 und dem Fall der Mauer 1989 kaufte die Bundesrepublik politische Gefangene aus der DDR frei. Dieser Häftlingsfreikauf geschah inoffiziell, wurde also geheim gehalten. Die DDR erhielt anfangs im Durchschnitt 40.000 DM für einen politischen Häftling, später erhöhte sich die Summe auf bis zu 100.000 DM.

Für die DDR bedeutete die Einnahme dieser Devisen eine gute Möglichkeit, ihre wirtschaftliche Not zu lindern. Die Bundesrepublik sah den Freikauf als humanitäre Aufgabe. Zwischen 1964 und 1989 wurden insgesamt 33.755 politische Gefangene freigekauft.

Außerdem wurde auch Geld gezahlt für Familienzusammenführungen: Wenn z. B. der Vater geflohen war, konnten Frau und Kinder nach langer Wartezeit zu ihm ausreisen. Auch dafür zahlte die Bundesrepublik, und zwar in rund 250.000 Fällen. Insgesamt flossen für die Freikäufe 3,4 Milliarden D-Mark.
 

Die ersten Häftlingsfreikäufe

Die ersten Freikäufe nach dem Mauerbau wurden durch die Evangelische Kirche organisiert und finanziert. Weihnachten 1962 wurden nach längeren Verhandlungen über die Bedingungen des Handels 15 Häftlinge in den Westen entlassen.

Der Preis waren drei Eisenbahnwaggons voll Kalidünger. Insgesamt wechselten bis 1963 etwa einhundert politische Gefangene sowie 20 Kinder, deren Eltern im Westen waren, in die Bundesrepublik. Doch der Kirche ging das Geld aus.

So sollte der Freikauf nun auf staatlicher Ebene erfolgen. Von zunächst 1000 Personen blieben am Ende nur acht übrig, weil die DDR die Vorschlagsliste immer weiter zusammenstrich.

Die ersten vier Häftlinge wurden im Oktober 1963 am S-Bahnhof Friedrichstraße übergeben. Nach der Geldübergabe erfolgte der zweite Teil der Übergabe. Insgesamt wurden 340.000 DM gezahlt. Die Probe war gelungen.
 

Verhandlungsführer für den Freikauf: Wolfgang Vogel

Von Anfang an war auf Seiten der DDR der Rechtsanwalt Wolfgang Vogel, der schon den ersten Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke organisiert hatte, in die Verhandlungen über die Freikäufe eingebunden. Vogel wurde unter Erich Honecker dann offizieller Beauftragter für humanitäre Fragen.
 

Freikauf für Waren statt Geld

Ab 1964 wurde der Häftlingsfreikauf in größerem Maße fortgeführt und das sollte bis 1989 so bleiben. Man einigte sich auf einen "Wert" von 40.000 DM pro Häftling, wobei es solche gab, die doppelt so viel oder halb so viel "wert" waren.

Jedoch wurde der Handel nun nicht mehr mit Bargeld, sondern mit Waren im Wert der geforderten Summe durchgeführt. Die DDR erhielt auf diesem Weg Mais, Kaffee, Butter oder Kautschuk (Gummi).

Die Bundesrepublik hoffte auf diesem Weg, auch die Versorgungsengpässe der DDR auszugleichen und der Bevölkerung etwas Gutes zu tun. Jedoch kamen die Waren tatsächlich nur selten an bei den Bürgern, denn die DDR verkaufte seit 1968 die Waren in andere Länder weiter, um so wertvolle Devisen zu erhalten. Für die Erwirtschaftung von Devisen war 1966 die KoKo gegründet worden, die "Kommerzielle Koordinierung". Sie übernahm dieses Geschäft.
 

Geheimhaltung des Häftlingsfreikaufs

1977 wurde der Betrag pro Häftling auf knapp 100.000 DM angehoben. Der Freikauf sollte von Seiten der DDR unbedingt geheim bleiben. Denn offiziell wurde bestritten, dass es überhaupt politische Gefangene gab. Schließlich war die DDR seit 1973 Mitglied der UNO und hatte 1975 die Schlussakte von Helsinki unterzeichnet. Nach außen wurde vorgegeben, die Menschenrechte zu beachten.
 

In den Westen per Bus

Mit Bussen wurden die Häftlinge in den Westen gebracht. Damit diese nicht auffielen, wurden drehbare Nummernschilder eingebaut. Während der Fahrt durch die DDR zeigten die Busse noch Ost-Kennzeichen, nach Passieren der Grenze wurde per Knopfdruck auf West-Nummernschilder umgeschaltet.

Auf Waldparkplätzen erfolgte dann die Übergabe. Die freigekauften Häftlinge wurden ins Aufnahmelager Gießen gebracht. Später wurden die Menschen sogar direkt aus der Haftanstalt in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) abgeholt.