Was ist der Contergan-Skandal?
Ein Skandal beherrschte die Presse Anfang der 60er Jahre. Es war der so genannte Contergan Skandal. Worum ging es dabei?
Ein "harmloses" Schlafmittel
Das Ganze begann eigentlich recht harmlos. 1957 kam ein Schlafmittel auf den Markt, das den Wirkstoff Thalidomid beinhaltete und in Tierversuchen als völlig harmlos eingestuft worden war. Nicht einmal ein Rezept benötigte man dazu, man ging einfach in eine Apotheke und erhielt das Medikament. Es wurde als DAS Schlafmittel schlechthin verkauft. Nicht nur in Deutschland. Auch Kinder erhielten übrigens das Mittel, es wurde ihnen als süßer Saft verabreicht.
Contergan-Kinder: Zahl der Missbildungen stieg
Ende der 50er Jahre stieg allerdings auch die Zahl so genannter "missgebildeter Kinder" an. Das waren Kinder, denen ein Körperteil ganz fehlte oder das nicht richtig ausgebildet war. Auch kam es zu häufigeren Totgeburten, die Kinder kamen nicht lebend zur Welt, sondern starben schon im Mutterleib oder kurz nach der Geburt. Zunächst machte man für die Missbildungen die erheblich gestiegene Zahl von Kernwaffen verantwortlich. Es kam sogar zu einer Anfrage im Bundestag, der sich dieser Sache annehmen sollte. Ab 1959 wurden eine weitere Zunahme der Missbildungen von Säuglingen festgestellt.
Contergan-Skandal
Doch es dauerte eine Weile, bis man begann, einen direkten Zusammenhang mit der Einnahme des Schlafmittels Contergan herzustellen. 1960 stellte eine Ärztin fest, dass der Wirkstoff Thalidomid - der im Schlafmittel enthalten war - den Embryo im Mutterleib schädigte. Die Firma Grünenthal, die das Mittel herstellte, wollte das nicht wahrhaben und pochte weiterhin auf die Harmlosigkeit des Medikamentes. Dennoch führte man die Rezeptpflicht für das Medikament Contergan ein. Es durfte ab 1961 nur noch dann verkauft werden, wenn ein Arzt auch ein Rezept dafür ausgestellt hatte. Auch die Presse wurde mittlerweile aufmerksam und berichtete über Nebenwirkungen von Contergan. Allerdings ging es hier "nur" darum, dass das Medikament wohl Nervenschädigungen hervorrufen könne. Man wurde etwas vorsichtiger, aber auf dem Markt blieb Contergan trotzdem weiter.
Contergan Nebenwirkungen: Contergan schädigte das Baby im Mutterleib
Erst 1961 stellen zwei Ärzte völlig unabhängig voneinander fest, dass Contergan den Emryo schädigen konnte und für die schweren Erkrankungen und Fehlbildungen bei Kindern verantwortlich war. Die "Welt am Sonntag" berichtete in ihrer Ausgabe vom 26. November 1961 darüber. Allerdings wurde hier Contergan nicht beim Namen genannt, sondern nur von einem Medikament gesprochen.
Tags darauf nahm die Firma Grünenthal Contergan vom Markt. Viel zu spät. 10 000 Menschen mussten mit den Folgen leben und leiden, noch heute. Allein in Deutschland waren es circa 5000 Kinder, die durch Contergan geschädigt worden waren. 40 Prozent starben schon kurz nach der Geburt.
Contergan heute: Gefährliche Einnahme
Je nachdem, in welcher Phase der Schwangerschaft die Mutter das Medikament eingenommen hatte, war die Schädigung erfolgt. Vor allem im Frühstadium einer Schwangerschaft, wenn sich die lebenswichtigen Organe beim Embryo herausbilden, war die Einnahme gefährlich und mit schweren Folgen verbunden. Später konnte man aufgrund der Schädigung sogar herausfinden, zu welchen Zeitpunkt der Schwangerschaft die Mutter das Medikament eingenommen hatte. Doch geholfen hat diese Erkenntnis den Betroffenen wenig.
Contergan-Skandal Entschädigung?
Nachdem klar wurde, dass die Einnahme des Mittels Contergan Ursache für die fehlenden Gliedmaßen der Kinder war, kam es nach langer Vorbereitungszeit Ende 60er Jahren zu einem Prozess, der sich bis 1970 hinzog. Die Betroffenen warfen der Firma Grünenthal vor, den Prozess so lange verzögert zu haben, dass im Jahr 1971 die Verjährungsfrist eingetreten wäre. Man einigte sich letztlich auf die Einzahlung in einen Fond, aus dem die Opfer eine Entschädigung erhalten sollten.
Blick voraus
Lange Zeit fehlte auch das Schuldeingeständnis der Firma Grünenthal. Hatte sie doch jahrelang abgestritten, dass Contergan Nebenwirkungen haben könnte und damit verhindert, dass das Medikament vom Markt genommen wurde. 50 Jahre später leben immer noch 2800 Menschen in Deutschland, die mit den Folgen kämpfen müssen.
Immer wieder kam es zum Streit über die Entschädigungen der Opfer, die hart erkämpft wurden. Gemessen an den Bedürfnissen der Menschen war dies für viele jedoch zu wenig. Das Thema ist immer noch aktuell und die Betroffenen kämpfen für ihre Rechte.