Der "politische Mensch"

Schon vor der Jahrhundertwende begannen die Menschen, sich stärker politisch zu engagieren. Es bildeten sich politische Parteien sowie Verbände und Organisationen, die unterschiedliche Interessen vertraten. So wollten immer mehr Leute Einfluss auf politische Entscheidungen ausüben und mitentscheiden. Die Zeiten, in denen ein Herrscher über die Belange aller Untertanen entschied, war vorbei. Doch vieles änderte sich nicht von heute auf morgen, sondern benötigte Zeit.

Politik war nur etwas für die "Oberen"

Seit etwa 1890 änderte sich das Parteiwesen im Deutschen Reich. Lange Zeit blieb die Politik nur ganz bestimmten Personen vorbehalten, den so genannten "Honoratioren", die meist aus dem Bürgertum oder dem Adel stammten. Diese kannten sich untereinander, bildeten kleine Grüppchen, stritten und einigten sich wieder. Der Durchschnittsbürger oder gar der Arbeiter wurde von der großen Politik und den wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen. Dies sollte sich nach dem Ende der Sozialistengesetze ändern.

Die Menschen organisierten sich verstärkt in politischen Parteien

Im Deutschen Reich entwickelte sich ein Industriestaat. Die SPD - die Partei der Arbeiter - gewann an Stimmen und es reichte nicht mehr aus, gelegentlich an einer politischen Sitzung teilzunehmen. Man musste sich schon besser auskennen, um politisch erfolgreich zu sein. Der Gelegenheits-Politiker entwickelte sich zum Berufspolitiker. Die SPD organisierte sich als Massenpartei und auch die anderen Parteien mussten eine Organisation finden, um mithalten zu können. Eine nicht unwesentliche Rolle spielte die Presse, die mittels Zeitungen Stimmungen und Meinungen beeinflusste.

So nahmen an den Reichstagswahlen im Jahr 1871 nur knapp mehr als 50 Prozent der Bevölkerung teil, 1912 waren es dann fast 85 Prozent, ein gewaltiger Anstieg. Allerdings durften Frauen erst ab 1919 überhaupt wählen, denn erst 1918 wurde das Frauenwahlrecht eingeführt.

Das Interesse der Menschen an Politik wuchs. So entstanden weitere Verbände und Organisationen sowie Parteien. Diese beeinflussten das politische und gesellschaftliche Leben im Deutschen Reich.  Das, was uns heute so selbstverständlich erscheint, war lange Zeit überhaupt nicht selbstverständlich. Die Möglichkeit, Politik zu beeinflussen, war sehr viel geringer als heute.


Blick zurück

Über Jahrhunderte gab es den "politischen Menschen" so gar nicht. Die meisten Menschen, die in einem Staat lebten, hatten wenig bis gar nichts zu sagen. Nur eine kleine Schicht traf die Entscheidungen, die letztlich alle betrafen. Mitsprache gab es fast gar nicht. Das sollte sich ändern.


Blick voraus

Heute haben die Bürger*innen sehr viel mehr Rechte und Möglichkeiten, am politischen Geschehen teilzunehmen. Ein Teil nutzt dies, ein Teil so gar nicht. Deshalb ist es wichtig für eine Demokratie, dass sich möglichst viele Menschen von der Politik vertreten fühlen. Sonst ist die Demokratie in Gefahr.