Historismus

Fließende Übergänge

Will man den Historismus einordnen, so zieht sich der Historismus durch das 19. Jahrhundert bis zum Beginn des Jugendstils um die Jahrhundertwende. Wie immer in der Kunst sind die Übergänge fließend und meistens gab es mehrere Stilrichtungen parallel, bis die eine dann endgültig von einer zweiten oder dritten abgelöst wurde.

Folgen der industriellen Revolution

Aufgrund der industriellen Revolution wurde immer mehr gebaut. Neben den Wohnhäusern entstanden riesige Kaufhäuser, um die frisch produzierten Waren anzubieten, gigantische Bankgebäude, die zeigten, wer das Geld hatte, großflächig angelegte Warenhäuser, in denen die Waren lagerten, riesige Fabrikhallen, aber auch Schulen und Bürogebäude. Doch wie sollten diese neuen Bauten aussehen? Irgendwie fehlte den damaligen Architekten die Phantasie und so griffen sie auf das zurück, was sie schon kannten und setzten das an den neuen, "modernen" Bauten um. Überflüssige Verzierungen und Ausschmückungen gehörten hier oft dazu. Mit der eigentlichen Funktion der Gebäude hatten diese dann eigentlich wenig zu tun. Das wurde den Architekten später auch oft vorgeworfen.

"Neo" ist in!

So wurden je nach Absicht des Auftraggebers und Zweck des Gebäudes  z. B. Neo-Gothik für eine Kirche, Neo-Renaissance für ein herrschaftliches Anwesen oder Neo-Barock für ein Theater verwendet. "Neo" bedeutete, dass man alte Stile aufgriff, diese nachahmte, aber trotzdem irgendwie etwas Neues herauskam. Doch nicht alle konnten sich für diesen Historismus begeistern, der ja doch immer wieder das Alte feierte und wenig Neues hervorbrachte.

Reichstag und Berliner Dom

Zum Beispiel wurde das Reichstagsgebäude in Berlin im Stile des Historismus erbaut. Hier wurden beim Bau Elemente der Neorenaissance mit denen des Neobarock verbunden. Ein weiteres Beispiel für den Baustil des Historismus wäre der Berliner Dom, den du hier auf einer Postkarte aus dem Jahr 1900 siehst. Auch hier waren Hochrenaissance und Barock Vorbild für den Bau. 

Verglichen mit dem Hotel Tassel in Brüssel sieht man hier sehr gut die Unterschiede. Die Künstler des Jugendstils wollten dem oft tristen Alltag mehr Stil und Schönheit verleihen. Deshalb wirkt der Stil auch oft eleganter und kostbarer als der stark historisierende.

Architektur und Ingenieurskunst

So entstand inmitten der historistischen Gebäude eine Architektur aus Gusseisen, Stahl und Glas, wie die berühmten Markthallen von Baltard (1852-1872) inmitten von Paris und 1889 der Eiffelturm, das höchste Bauwerk seiner Zeit, den Gustave Eiffel anlässlich der Weltausstellung zur Jahrhundertfeier der Französischen Revolution in Paris entworfen hatte.

Technische Fortschritte waren Voraussetzung für moderne Architektur

Ohne diese technischen Fortschritte, die dann in der Verwendung von Eisen, Glas und Beton ihren Ausdruck fanden, wäre 1900 nicht an den Bau einer Untergrundbahn zu denken gewesen, die moderne Architektur baute im wörtlichen Sinne auf der Technik auf.

Während die Stilrichtung des Jugendstils oder des Impressionismus sich auch in anderen Kunstformen wie der Literatur, der Musik, der Malerei finden lässt, spricht man nur in der Architektur von Historismus.

Den Historismus gab es übrigens in ganz Europa und er veränderte das Bild der europäischen Städte erheblich.